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Schallzahnbürsten sind meistens besser: Interview mit Dr. Jürg Eppenberger in der Zentralschweiz am Sonntag vom 14.12.2014


Schweizer reinigen ihre Zähne meist gründlich, aber sehr oft mit der falschen Technik. Ein Fachmann sagt, wie man es richtig macht, und weshalb man von Hand- auf Schallzahnbürste wechseln sollte – aber nicht auf jede.

 

Lange galten Handzahnbürsten den elektrischen als ebenbürtig. Das hat sich anscheinend geändert. Weshalb?

Jürg Eppenberger: Neuere Studien haben gezeigt, dass Schallzahnbürsten mit hydrodynamischem Effekt für die Zahnreinigung generell besser sind als Handzahnbürsten.

 

Was ist ein hydrodynamischer Effekt?

Eppenberger: Der Zürcher Zahnmedizin-Professor Ulrich P. Saxer hat das mal treffend mit der Wirkung eines Bergbachs beschrieben. Mit über 30’000 Bewegungen pro Minute erzeugt die Schallzahnbürste im vorhandenen Speichel-Wasser-Zahnpasten-Gemisch starke Turbulenzen. Sie sorgen dafür, dass das Gemisch mit hoher Geschwindigkeit auch auf diejenigen Bakterien trifft, die zwischen den Zähnen sind, also dort, wo die Borsten gar nicht hinkommen. Schallzahnbürsten reinigen also nicht nur da, wo die Borsten sind.

 

Geht es nicht trotzdem von Hand?

Eppenberger: Doch, grundsätzlich ist es möglich, mit einer Handzahnbürste so zu reinigen, dass keine Schäden an Zähnen und Zahnfleisch entstehen. Wer nicht anfällig ist für Karies, nicht durch unvorsichtiges Schrubben das Zahnfleisch verletzt und durch zu viel Kraft auf Dauer die Zähne abschmirgelt, kann bei der Handzahnbürste bleiben. Man muss aber festhalten, dass das nur für etwa 10 Prozent der Bevölkerung zutrifft (siehe unten: die verschiedenen Bürsten im Überblick).

 

Wann ist ein Wechsel auf Schallzahnbürste zwingend anzeigt?

  1. Wenn die Reinigung mit der Handzahnbürste ungenügend ausfällt.
  2. Bei freiliegende Zahnhälsen (Zahnfleischschwund), was häufig auftritt.
  3. Bei den ebenfalls häufigen Zahnfleischverletzungen sowie keilförmigen Defekten (Kerben am Zahnhals durch Schrubben mit zu viel Kraft).
  4. Bei Parodontitis (Zahnbettentzündung).
  5. Bei hohem Kariesbildungsrisiko (heute selten).
  6. Generell bei Implantaten, um eine Infektion des umgebenden Zahnfleisches zu verhindern.
  7. Bei ausgedehnten Rekonstruktionen, da diese teuer sind und die bestmögliche Hygiene angezeigt ist.
 
Worauf muss man beim Kauf einer Schallzahnbürste achten?

Eppenberger: Unter den elektrischen  Zahnbürsten werden ausschliesslich Schallzahnbürsten empfohlen – aber nicht alle, sondern eben nur diejenigen, die einen genügenden hydrodynamischen Effekt herstellen können. Die ETH Zürich ist daran, ein Gütesiegel für Schallzahnbürsten zu erstellen, aktuell laufen dazu noch Untersuchungen der Uni Zürich. Klar aber ist jetzt schon, dass nicht alle Schallzahnbürsten, die auf dem Markt sind, die Borsten so kraftvoll bewegen, dass sie den hydrodynamischen Reinigungseffekt erzielen. Von den untersuchten Bürsten erfüllen – laut heutigem Wissensstand – gemäss ETH-Tests folgende drei Markenprodukte die Kriterien (Quelle: Task Force Schallzahnbürsten):

  1. Sensonic-Schallzahnbürsten von Waterpik
  2. Sonicare Schallzahnbürsten von Philips
  3. Hydrosonic von Curaprox

 

Nicht jeder kann sich eine Schallzahnbürste leisten.

Eppenberger: Die Anschaffungskosten sind tatsächlich höher als für eine Handzahnbürste, aber das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt sofort, wenn dadurch Schänden vermieden werden können und somit keine Behandlung nötig wird.

 

Wie putzt man richtig mit der Schallzahnbürste?

Eppenberger: Der Stiel des Bürstenkopfes darf die Zähne nicht berühren. Die Bürste sollte bei fast geschlossenem Mund ohne Bewegung und Druck eingeschaltet und der Bürstenkopf im 45-Grad-Winkel zum Zahnfleisch angelegt werden. Kleine Wippbewegungen nach vorne und hinten werden durchgeführt, um die Borsten näher an die Zahnzwischenräume zu führen. Nach zirka 5 Sekunden Einwirkzeit pro Zahn wird die Bürste leicht angehoben und zum nächsten Zahn geführt. Auf diese Art werden alle Zähne systematisch gereinigt und zwar zuerst innen und dann aussen. (Anmerkung: unter www.richtigzaehneputzen.ch findet man ein Merkblatt; ein Video zum richtigen Putzen gibt es unter www.curaprox.ch, via die Schaltflächen «Produkte», «Schallzahnbürste», «Film», «Putzanleitung mit Claudia Saxer»).

 

Schallzahnbürsten haben verschiedene Stufen. Reinigt die höchste am besten?

Eppenberger: Ja, denn eine gewisse minimale Auslenkung und Frequenz der Borstenschwingung sind nötig, um den hydrodynamischen Effekt auszulösen. Wer jedoch neu mit einer Schallzahnbürste reinigt, sollte zur Angewöhnung mit einer niedrigeren Stufe beginnen.

 

Wie lange sollte man seine Zähne putzen?

Eppenberger: Eigentlich je 5 Sekunden pro Zahnfläche, also aussen, innen und auf der Kaufläche. Das wären bei 28 Zähnen: 7 Minuten (3 x 5 x 28 = 420 Sekunden). 7 Minuten generell zu propagieren, würde aber kaum akzeptiert, 4 Minuten – zweimal täglich – sind ein guter Kompromiss. Um optimale Ergebnisse zu erzielen, sollte man zudem den Bürstenkopf alle drei Monate auswechseln.

 

Bringt es etwas, sehr lange zu reinigen, also mehr als die 7 Minuten?

Eppenberger: Länger reinigen an der gleichen Stelle ist unnötig und wäre schädlich, da Zahnsubstanz weggeschmirgelt wird, bei zu kräftigem und zu langem Putzen an der gleichen Stelle. Es gibt allerdings Leute, bei denen sich das Zahnfleisch und der Knochen zurückgebildet haben. Bei solchen Problemgebissen kann ein Reinigungsdurchgang inklusive der Anwendung von Interdentalbürsten durchaus 15 oder mehr Minuten beanspruchen, ohne dass an der gleiche Stelle zu lange geputzt wird.

 

Besteht mit Schallzahnbürsten kein erhöhtes Verletzungsrisiko?

Eppenberger: Nein, es ist sogar niedriger als mit Handzahnbürsten, selbst dann, wenn man sie nicht ganz korrekt anwendet. Mit Schallzahnbürsten ist eine gute Reinigung ohne anspruchsvolle Putztechnik möglich, ohne grosses Verletzungsrisiko und Schadenpotenzial auch bei weniger Konzentration und Aufmerksamkeit.

 

Was ist mit der Zahnpasta?

Eppenberger: Nebst persönlichem bevorzugtem Geschmack sind wissenschaftlich zwei Punkte bei der Auswahl wichtig: Zum einen muss sie Fluor enthalten (für Kinder wegen des Verschluckens etwas weniger als bei Erwachsenen). Zum anderen muss sie eine geeignete, schwache Schmirgelwirkung haben. Fachleute sprechen vom RDA–Wert (relative Dentin Abrasion), der leider auf der Paste in der Regel nicht deklariert ist und sich manchmal auch ändert. Zahnarzt und Dentalhygienikerin beraten gerne. Wichtig zu wissen: Je höher der RDA-Wert, desto mehr wird abgeschmirgelt. Sogenannte «Raucherzahnpasten» mit hohem RDA-Wert sollten niemals regelmässig zum Zähneputzen verwendet werden.

 

Reicht Zähneputzen allein, oder muss man andere Hilfsmittel einsetzen?

Eppenberger: Für Patienten, die seit Jahren ohne Reinigung zwischen den Zähnen keine Zahnprobleme hatten, gibt es keinen Grund eine zusätzliche Interdentalreinigung einzuführen. Zumindest dann nicht, wenn sie eine jährliche Kontrolle durchführen lassen.

 

Und wenn man die Zwischenräume reinigen muss: Interdentalbürste oder Zahnseide?

Eppenberger: Am schonendsten geht es mit Interdentalbürstchen. Beim Umgang mit Zahnseide ist Vorsicht angebracht, denn sie kann Schnitte im Zahnfleisch oder an den Zähnen verursachen. Die möglichen Folgeschäden sind dann grösser als der Nutzen. Eine Instruktion durch die Dentalhygienikerin oder den Zahnarzt ist nötig, wie wir heute wissen.

 

Können Spüllösungen die Zahnreinigung mit der Bürste ersetzen?

Eppenberger: Spüllösungen sind nur immer Zusätze, die eine mechanische Reinigung nicht ersetzen können. Statt Zähneputzen weil man müde ist, nur mit einer Fluorlösung spülen, ist niemals gleichwertig. Das gleiche gilt für zahnfreundliche Kaugummis. Natürlich darf es ein, zwei Mal im Jahr eine Ausnahme geben, da passiert nichts, aber wir beobachten eben leider, dass da und dort die Ausnahme zur Regel gemacht wird.

 

Wie sollen Kinder die Zähne putzen?

Eppenberger: Dank den Anstrengungen der Zahnärzte SSO wissen Schweizer Schulkinder und deren Eltern sehr gut, wie sie die Zähne putzen müssen. Anders sieht es leider bei Kindern mit Migrationshintergrund aus. Entsprechend sind die Gebisse dieser Kinder oft weit weniger gesund. Auch bei guter und erst recht bei schlechter Reinigung: Studien zeigen, dass auch Kinder ab 4 Jahren mit Schallzahnbürsten eine sehr viel bessere Reinigung erzielen als mit der Handzahnbürste. Dies vor allem beim Vorhandensein von Zahnspangen. Welches für Kinder die besten «Schallzahnbürsten» sind, hat die ETH momentan noch nicht untersucht.

 

Die verschiedenen Bürsten im Überblick

 

Handzahnbürsten

Entscheidend sind die Härte und die Enden der Borsten sowie deren Packungsgrad. Idealerweise sollten die meist aus Nylon bestehenden Borsten weich und abgerundet oder pinselartig sein. Weiche Borsten verletzten das Zahnfleisch weniger, die Bürste muss aber häufiger gewechselt werden. Dicht gepackte Borsten sind besser, weil die Zahnpasta besser festgehalten wird. Bürsten von Meridol und Sensodyne ProSchmelz mit pinselartigen Borsten verletzen das Zahnfleisch weniger und reinigen speziell am Zahnfleischrand sehr gründlich.

 

Elektrische Zahnbürsten

Es gibt zwei Typen, die oszillierenden mit rundem Bürstenkopf und die Schallzahnbürsten. Vorsicht mit oszillierenden Zahnbürsten: Bei falscher Technik und zu starkem Anpressdruck können diverse Schäden entstehen, da die runden Bürstenköpfe (bohrende) Rotationsbewegungen ausführen.

 

Schallzahnbürsten

So nennt man elektrische Zahnbürsten, deren länglicher Kopf sich mit sehr hohen Frequenzen bewegt (je 15’000 Hin- und-Her-Bewegungen pro Minute). Bei solchen Frequenzen ist oft von Ultraschallzahnbürsten die Rede, was aber streng genommen eine falsche Bezeichnung ist.

 

Interdentalbürsten

Das sind Pfeifenputzer-artige Bürstchen mit verschieden Durchmessern zur Reinigung der Zahnzwischenräume dienen. Je nach deren Grösse muss die entsprechende Dicke der Interdentalbürste gewählt werden. Die Zahnzwischenräume sollten täglich gereinigt werden, wenn sie von Karies geschädigt oder mit Füllungen geflickt sind und wenn eine Parodontitis (Zahnbettentzündung) vorhanden ist oder vorhanden war. Die Reinigung der Zahnzwischenräume ist mit Interdentalbürstchen am schonendsten. Zahnseide sollte nur dort gebraucht werden, wo der Einsatz von Interdentalbürstchen nicht möglich ist.

 

Dr. med. dent. Jürg Eppenberger ist Zahnarzt SSO mit eigener Praxis in Luzern, sowie Belegarzt für Zahnmedizin an der Hirslanden-Klinik St. Anna, Luzern.

 

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Erschienen in: Neue Luzerner Zeitung am